Über Jäger und Bauern – ist ADHS eine Krankheit?

ADHS wird im Standardbuch der Psychiater für Diagnosen von „mental disorders“ (Geisteskrankheiten), genannt DSM, gelistet, aber ist ADHS überhaupt eine Erkrankung? Schließlich betrifft es circa 5% der Bevölkerung und das seit Geburt, weil genetisch angelegt. Und „Krankheit wird oft im Gegensatz zu Gesundheit definiert. Die Weltgesundheitsorganisation hat Gesundheit auch schon als idealen Zustand optimalen Wohlbefindens definiert“ (Wikipedia).

Menschen mit ADHS (ADHS*) sind ja nicht zwangsläufig „un-gesund“ oder fühlen sich krank und ihr andersartiges Verhalten führt auch nicht zwangsläufig zur Fremd- oder Eigenschädigung. Auch sterben sie nicht durchschnittlich Jahrzehnte vor den nicht-ADHS’lern (oder „neurotypischen“ Menschen = Normalos). Sie fühlen sich einfach nur anders als die Normalos, und den Normalos mag das Verhalten von ADHS’lern (ADHS*) als „exzentrisch“, aber keineswegs als krank auffallen.

Was also ist dann ADHS wirklich? Glaubt man der „Hunter vs. farmer Hypothesis“ von Thom Hartmann, dann waren Menschen zu Zeiten der „Jäger und Sammler“ ADHS*. Der Jäger wurde morgens durch Hunger angetrieben und verließ die Höhle, um Beute zu machen. Er streifte durch den Busch und nahm alle Reize gleichzeitig auf. So konnte er durch die Reizoffenheit verschiedene Beutetiere, aber auch Feinde orten. Die Impulsivität war geeignet, um beim Anblick von einem Reh und einem Hasen sich schnell und ohne Planen für die bevorzugte Beute (Menge Fleisch vs. Erfolgsrate) zu entscheiden. Adrenalin stieg, der Hyperfokus setzte ein. ADHS* können viel besser als Normalos Bedürfnisse wie Hunger, Durst, Schlaf aufschieben, wenn sie im Hyperfokus sind. Sie vergessen alles um sich herum. Der Jäger konnte sich an die Beute anpirschen und sie durch einen gezielten Angriff – vielleicht sogar einen Sprint und Kampf – greifen und erlegen. Im Hyperfokus gemischt mit Adrenalin ist die Klarheit einzigartig, die Zeit vergeht langsamer, so dass der ADHS* handelt, während die Welt um ihn herum in Zeitlupe läuft. Die dabei verbrannte Energie und die Leistung war hoch und erschöpfend. Nach der Mahlzeit, mit vollem Magen konnte der ADHS* den Rest des Tages ausruhen und nach seinen Bedürfnissen agieren (passend dazu der Gepard im Bild).

Mit dem Durchbruch der Menschen, Pflanzen anbauen und Tiere halten zu können, wurden die Eigenschaften und Fähigkeiten des ADHS wie Reizoffenheit, Impulsivität und Hyperfokus überflüssig, ja gewissermaßen störend. Der Bauer benötigt viel Geduld und eine gleichmäßige, länger dauernde aber niedrigere Konzentrationsfähigkeit. Er braucht zudem viel mehr Planungsfähigkeiten als der Jäger. Wann ist der beste Zeitpunkt, das Getreide zu säen? Wann müssen die Kühe gemolken und die Schweine gefüttert werden? Wie sichere ich den Hof vor räuberischen Füchsen und anderem Wild? Diese Fähigkeiten setzten sich über die Jahrtausende als günstig im Erbgut durch. Die Normalos waren die viel besseren Bauern als die ADHS* und konnten länger und besser überleben und dadurch ihre Gene an die Nachkommen weitergeben.

Übersetzt in die heutige Zeit heißt das, dass ADHS* als letzte Jäger in einer Bauernwelt der Normalos leben. Aber warum gibt es dann überhaupt noch ADHS* unter den Menschen und dies zu einem nicht geringen Anteil von den erwähnten 5%? Warum haben die Bauern die Jäger nicht schon komplett verdrängt? Dies ist bislang nicht untersucht worden. Es kann aber vermutet werden, dass es gerade ADHS* mit Hochbegabung oder besonderen Talenten waren, die zur Erhaltung der Gene beitrugen. Ohne die hohe Innovationskraft und ohne die wagemutigen Aktionen vieler ADHS* wäre die Menschheit häufiger dem Stillstand ergeben gewesen und hätte sich auf neue Begebenheiten nicht so schnell anpassen und die Welt erobern können.